Liebes Ruhrgebiet und Rest vonne Welt, der September ist ein guter Monat, denn im September hat mein Leiden ein Ende. Mein "Alle meine Lieblingsserien sind in einer gefühlt 100 Jahre langen Sommerpause"-Leiden.
Früher bin ich abends extra früher zu Bett gegangen, damit ich möglichst lange lesen konnte. Dünne Bücher kamen mir nur selten ins Haus, weil ich es immer schrecklich fand, meine neuen Freunde (a.k.a. literarische Protagonisten) wieder ziehen zu lassen, sobald ich das jeweilige Buch ausgelesen hatte. Mit dicken Büchern bleiben die neuen Freunde einfach etwas länger. Und das war mir wichtig.
Und dann bin ich eines Tages zum Serienjunkie mutiert. Den Anfang machte damals "24". Mit schweißnassen Händen hockte ich vorm Bildschirm und zog locker 10 Folgen am Stück weg, weil es einfach zuuu spannend war. Dann freundete ich mich mit Alley McBeal an, die ich beim Durchzappen auf VOX eigentlich immer total beknackt gefunden hatte (Der Tomahawk-Tanz um den imaginären Säugling?! Hallo?!). Aber vor locker 10 Jahren saß ich dann um die Weihnachtszeit mit fiesem Liebeskummer zu Hause, hatte weder einen TV- noch einen Internetanschluss und kam mit "vor die Wand gucken" einfach nicht aus meinem Loch raus. Also brachte mir ein Freund zig Alley McBeal VHS-Kassetten vorbei, denn auch wenn ich keinen Fernsehanschluss hatte, war ich immerhin im Besitz eines TVs uuund (wuhuuu!) eines Videorekorders. Das muss die Zeit gewesen sein, in der Seriendarsteller meine Bücherliebe mehr und mehr aus meinem Leben vertrieben haben.
Tja. Einmal Serienjunkie, immer Serienjunkie. Und da man im Alltag ja schlecht den ganzen Tag vor der Glotze hocken kann, mussten die Abendstunden herhalten, um Lost, Prison Break, Alias, Heroes, The L-Word, Battlestar Galactica und sonst was zu gucken. Es blieb schlicht keine Zeit mehr für Bücher. Auch nicht für ganz dünne.
Noch jahrelang schleppte ich trotzdem regelmäßig ganze Bücherberge nach Hause. Schließlich wird sowas ja zur Gewohnheit mit den Jahren. Aber mit noch mehr Jahren merkt man dann irgendwann doch, dass es sich dabei um rausgeschmissenes Geld handelt, weil man Abend um Abend ja eh nur auf den Bildschirm und nicht in die neuen Bücher starrt.
Wenn mich jemand zum ersten Mal in meiner Wohnung besucht, wird meist mit anerkennendem Unterton "Oh, toll, so viele Bücher! Leute die lesen, sind gute Leute!" oder so was in der Art angemerkt.
Wenn ich dann aber sage, dass ich seit Jahren keinen Roman mehr gelesen habe, weil Serien und so, dann folgt auf die Anerkennung meist nur ein dumpfes "Oh" und ich bin fast etwas beschämt.
Wenn ich dann aber sage, dass ich seit Jahren keinen Roman mehr gelesen habe, weil Serien und so, dann folgt auf die Anerkennung meist nur ein dumpfes "Oh" und ich bin fast etwas beschämt.
Nun denn. Worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Aktuelle Bücher kann ich Euch keine empfehlen. Aaaaber Serien. Da bin ich mittlerweile Experte. Und weil mein "Alle meine Lieblingsserien sind in einer gefühlt 100 Jahre langen Sommerpause"-Leiden in Kürze ein Ende haben wird, lasse ich heute und morgen einige meiner liebsten Serien der letzten Jahre für Euch im Rahmen einer fetten Empfehlungssause hochleben.
Die Klassiker wie Downton Abbey, Mad Men, Dexter, Game of Thrones, Homeland, The Walking Dead oder Boardwalk Empire kennt man ja als Serienfreund in der Regel. Deshalb komme ich Euch jetzt versuchsweise mit Empfehlungen, die eben noch nicht jeder unbedingt kennt. Und los geht's:
1. Hit & Miss
Diese Kurzserie - bestehend aus nur 6 Folgen - ist recht starker Tobak. Aber ich mag starken Tobak. Im Zentrum steht Chloe Sevigny in der Rolle der noch nicht operierten transsexuellen Auftragskillerin Mia. Als Mia erfährt, dass sie einen elfjährigen Sohn hat, der nach dem Tod seiner Mutter mit seinen drei Halbgeschwistern ganz alleine dasteht, übernimmt sie das Sorgerecht und zieht zu den Kindern auf einen Bauernhof. Dort wird sie mit Ablehnung und Abscheu ob ihrer Sexualität konfrontiert. Stellenweise war ich wirklich fassungslos wie nah, wie echt, wie brutal und nackt die gesamte Thematik umgesetzt ist. Sowohl inhaltlich als auch schauspielerisch mit Blick auf Chloe Sevigny eine mutige und starke Serie. Nur eben leider sehr kurz.
2. The Returned
Diese französische Serie besticht - meine Güte, mir fällt keine andere Formulierung ein - vor allem durch ihre atmosphärische Dichte: In einem kleinen Bergdorf in Frankreich tauchen nach und nach verstorbene Personen wieder auf und bemühen sich, in ihren ehemaligen Alltag zurückzufinden. Es handelt sich hierbei aber keinesfalls um eine platte Zombie-Geschichte mit Blut, Horror und Co. Vielmehr stehen die emotionalen Kontexte im Vordergrund. Beklemmend und leise werden die einzelnen Geschichten gezeichnet, ohne dass der typische Hau-drauf-Mystery-Hammer geschwungen wird. Vor diesem Hintergrund gilt The Returned eher als Drama-Serie und konnte in dieser Kategorie auch einen Emmy absahnen.
3. Girls
Ich bin kein Freund von lustigen Serien. Und Girls IST lustig. Aber Girls ist auch schräg und tragisch und schrecklich und voller Herz und echtem Leben. Lena Dunham, die auch als Schöpferin und Produzentin hinter dieser Serie steht, spielt die völlig verschrobene Hannah. Als Mittzwanzigerin turnt sie durch ihr Katastrophenleben in New York, träumt von einer Karriere als Schriftstellerin und fällt alle 3 Meter mit allem was sie tut auffe Schnüss. Eigentlich möchte ich viel lieber eine Liebeserklärung an Frau Dunham schreiben, anstatt hier irgendetwas zum Inhalt der Serie zu brabbeln. Mit wie viel Mut sie diese Rolle spielt, haut mich einfach um. Man will sich ständig die Hände vors Gesicht halten, weil man mit ihr leidet und sich auch ein bisschen sehr für sie schämt. Aber noch viel mehr will man sie knutschen, weil sie sich nonstop so herrlich ehrlich mit allem Schwabbel und Pannetum so unvorteilhaft in Szene setzt, dass man einfach nur dankbar ist. Für das Ungeschönte, für den Selbstzynismus und für jedes einzelne "Na und?! Dann schwabbelt da halt was!". Ach so, natürlichen spielen da auch noch andere Leutchen mit. Die sind auch okay. Aber Lena...Lena ist ne Heldin! Und ganz im Ernst: Der Trailer gibt nicht mal im Ansatz wieder WIE TOLL diese Serie ist.
4. Scandal
Meine Güte, wer ist eigentlich für so schlechte, nichts sagende Trailer verantwortlich?! Wenn ich jetzt nämlich sage, dass ich Scandal LIEBE, und Ihr Euch dann den Trailer anschaut, denkt Ihr: "Lahm! Die hat se doch nicht mehr alle!". Also: Kerry Washington (unglaublich schöne Frau!) spielt Olivia Pope und "Olivia Pope fixes things". Glaubt man dem Trailer hält man diese Serie für schnöden Krimi-Kram, in dem einfach nur irgendwelche Fälle gelöst werden. Das ist aber völliger Quatsch. Frollein Pope löst nicht IRGENDWELCHE Fälle, sondern arbeitet mehr oder weniger unfreiwillig mit dem Weißen Haus zusammen und muss ständig den ganzen Mist, den die Regierung verbockt, wieder grade rücken. Aber auch darum geht es eigentlich nicht wirklich. Diese Serie lebt von der Affäre zwischen Frollein Pope und Mister President und von familiären Verstrickungen. Das klingt vielleicht platt, IST ES ABER NICHT! Im Zuge der ersten Staffel war ich angefixt und mit der zweiten Staffel war ich Feuer und Flamme. Die einzelnen Charaktere sind durchweg unglaublich gut gezeichnet, die Langzeithandlung hat tolle Wendungen auf Lager, das Verschwörungspotential stimmt auf den Punkt und man will ständig schreien "Boah, Du doofer Presi-Kopp, klopp datt Weiße Haus inne Tonne, nimm die Frau und hau ab!". Wirklich, diese Serie kann so viel mehr als der Trailer suggeriert...
So. Den nächsten Rutsch gibbet morgen. Ich verbleibe mit freundlichen Junkie-Grüßen und freue mich über EURE Serien-Tipps. Und nein: Breaking Bad will ich nicht gucken. Und ja: Ich hab es wirklich, wirklich, wiiiirklich versucht. Mehrfach.
Merke: Bei EDEKA gibbet aktuell Brathähnchen-Kartoffelsalat im Kühlregal.
Sehr, sehr geil.